S01E01: Lebensentwurf statt Lebenslauf
In der ersten Folge diskutieren Alexander Kornelsen und Lysander Weiß über Absurditäten im Recruiting. Was hat sich in den letzten Jahren verändert? Warum schauen wir immer auf den Lebenslauf statt nach vorne? und welche Möglichkeiten bieten sich in der Zukunft?
Michel Abé und Michael Kiesswetter von der RP Mediengruppe ergänzen die Sicht des Großunternehmens in der Debatte und stellen fest: Es muss noch einiges geändert werden!
Zu Gast ist Florian Lanzer, Partner bei Venture Idea und Co-Autor des Buches „Good Job!“, der seine Erfahrungen und Erkenntnisse im Recruiting mit in den Ring wirft.
Wer bist du?
Wer bist du eigentlich? Mit dieser Frage beginnt die Folge, sowie beinahe jedes Bewerbungsgespräch. Aber wer sind wir eigentlich, worüber definieren wir uns? Über die Arbeit, die Hobbies? Wie erkenne ich in der kurzen Zeit eines Bewerbungsgesprächs, wer mir eigentlich gegenüber sitzt? Im Gegensatz zu Alex, der mehr über seine Erfahrungen des „Beworben-Werdens“ sprechen kann, hat sich Lysander öfter beworben und stellt fest: Das Bewerbungsgespräch ist für beide Seiten gedacht - man tastet sich ab und schaut, ob man zueinander passt. Dabei sollte sich nicht nur der Bewerber Gedanken machen, wie er bei seinem potentiellen neuen Arbeitgeber gut rüber kommt, das gleiche gilt für den Arbeitgeber selbst.
An dieser Stelle wird nun auch Florian Lanzer, Partner von Venture Idea begrüßt (10:31). Alex stellt seinen alten Kommilitonen und Freund vor, mit dem er nach dem Studium zeitgleich in Berlin lebte, wo er den damaligen Geschäftsführer eines Start-ups zu einem Workshop von Venture Idea einlud. Inzwischen ist Florian seit knapp 4 Jahren Teil von Venture Idea und Co-Autor des Good Job! Buches. Er berichtet von seinen eigenen Erfahrungen im Personalwesen bei E.ON und über die Intro Frage „Wer bist du?“. Im Alltag gibt es nur eine Antwort: Name, Alter, Wohnort und Beruf und das, obwohl sich keiner auf diese Eckdaten reduzieren lassen möchte. Um die Frage beantworten zu können gilt es laut Florian vor allem darum „sich erstmal selbst zu verstehen“.
Die Zukunft des Recruitings?
Bei Venture Idea sitzt Alex auf der anderen Seite des Bewerbertischs und will hinter die Fassade der Bewerber blicken (19:37). Was ist dein Traumjob und wie stellst du dir deine zukünftige Wunscharbeit von? Was hast du für ein Lebensziel? Mit diesen Fragen versucht er genau das zu erreichen und die Bewerber zu verstehen und kennenzulernen. Leider sind die meisten Antworten recht ernüchternd, doch machmal hört man auch von dem Wunsch, im Mittelalter zu leben.
Wie schafft man es also, einen Bewerber richtig kennen zu lernen? Lysander berichtet von dem einem anderen Ansatz, den das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup wählt (23:58). Mit ihrem „Strenghfinder“ sucht das Unternehmen nach den individuellen Stärken jedes Teilnehmers, wobei der Fokus in erster Linie auf der Persönlichkeit liegt und weniger auf den beruflichen Fähigkeiten. Das Brand Eins Magazin titelte in zugehörigen Artikel passend „Besuch bei Besserwissern“. Diesem Ansatz stimmt auch Florian zu, den Lebenslauf als echtes Entscheidungskriterium sieht es als überholt. Laut Florian fällt die initiale Entscheidung bereist nach einem durchschnittlich 6 Sekunden langen Blick auf dem Lebenslauf. Keine Zeit für Individualität findet auch Alex, der daher vor allem die Anschreiben ließt - das Schlüsselwort lautet Motivation! Lysander will von Florian wissen, welche Möglichkeiten diesbezüglich die neue Arbeitswelt nun für das Recruiting bieten (35:45). Der größte Unterscheid ist die Entwicklung von Small zu „Big Data“. Die heute gegebene Datenvielfalt kann in vielerlei Hinsicht genutzt werden, um beispielsweise durch Künstliche Intelligenz die richtigen Bewerber zu finden. Dies bietet große Chancen, aber birgt auch mögliche Gefahren, denn jede künstliche Intelligenz ist nur so schlau, wie die Daten, mit der sie gefüttert wird.
In einem Telefonat mit Benjamin Pieck, Gründer von Matching box, erfährt Lysander, wie bei Matching box Berufsvorschläge basierend auf Persönlichkeitstest gemacht werden (39:06). Das Prinzip ähnelt dem einer Dating Plattform. Jobsuchende werden nach dem Selbsttest mit passenden Unternehmen verkuppelt. Der Fokus steht immer stärker auf der persönlichen Passung zum Unternehmen und Unternehmenskultur, was auch dem gemeinsamen Fazit von Lysander, Florian und Alexander entspricht. Die Persönlichkeit, die Individualität und die Motivation, das sind die Dinge, einen potentiellen Mitarbeiter ausmachen. Jeder Bewerber sollte sich klar machen, wohin er will, was er erreichen will und wie ihm ein neuer Arbeitgeber genau dabei helfen kann - die aktuellen Trends des digitalen und des demographischen Wandels geben ihnen Recht.
Persönlichkeit statt Einfachheit!
An der Stelle übernehmen Michel und Michael - „M&M“ - und stellen sich der Frage, wie Recruiting eigentlich bei der Rheinischen Post aussieht (45:26). Dafür teilt Michael den gesamten Bewerbungsprozess in zwei Schritte, das erste Filtern und das anschließende Gespräch. Ersteres muss gut funktionieren, so dass man überhaupt die Zeit hat, sich in einem Gespräch wirklich kennen zu lernen. Sobald der Schritt des Filterns geschafft ist, stimmt Michael der Aussage von Alex zu: das Anschreiben und die damit verbundenen Mühen sagen mehr über den Bewerber aus, als ihr Lebenslauf. Je intensiver sich der Bewerber mit dem Unternehmen beschäftigt hat und sich darüber Gedanken gemacht hat, wie man gegenseitig voneinander profitieren kann, desto interessanter wird er auch.
Die Persönlichkeit zählt, der Mensch im Fokus, das sieht auch Michel so (52:36). Gedanklich weg von den technischen Möglichkeiten, sitzt auf der anderen Seite des Tisches immer noch ein Mensch voller Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen. Im Gegensatz zu früher, beziehen die sich aber nur noch selten auf eine Zukunft, die mehr als 1 Jahr entfernt ist. Und das gleiche gilt in der heutigen Arbeitswelt auch für die Unternehmen. Die Fähigkeit, auf den Wandel zu reagiere, darin sieht Michael eine Kernkompetenz. Für höhere Führungspositionen ist man daher bei der RP dazu übergegangen, in „Single Assessment Centern“ solche Situationen zu simulieren. Die Persönlichkeit des Unternehmens muss mit der Persönlichkeit der Mitarbeiter zusammenkommen.
„Eine Bewerbungsunterlage, die ich bekomme von einem Menschen, ist immer ja theoretisch ab jetzt der Blick in die Vergangenheit, aber ich brauche ihn ja, ab jetzt für den Blick in die Zukunft“ resümiert Michel. Einerseits die erbrachte Leistung wertschätzen, andererseits überlegen, was man gemeinsam erreichen kann: Da liegt die Zukunft für einen Good Job!
Community-Aufgabe: Schreibt uns eure absurdesten Bewerbungsgespräche per Text oder Sprachmemo an: ichwilleinen@goodjob.jetzt
Der „Good Job“-Podcast erscheint jeden zweiten Mittwoch und richtet sich an jeden, der einen Good Job haben will oder bereits hat.
Alle Infos findet ihr unter www.goodjob.jetzt oder www.zeitgeist.rp-online.de.
Die nächste Folge erscheint am 17. Oktober zum Thema: Work-Life Harmonie statt Work-Life Balance
Wer keine Folge verpassen möchte, kann den Podcast jetzt schon auf iTunes und Spotify abonnieren oder folgenden Link zu seinem Podcast Player hinzufügen: